PRO & CONTRA:
Jüdische Vermächtnisse in der hessischen CDU

Die sogenannten „jüdischen Vermächtnisse“ bescherten der hessischen CDU innerhalb der „Spendenaffaire“ von Anfang 2000 einen - in sich abgeschlossenen – eigenen Spendenskandal: Gedeckt vom CDU-Landesvorsitzenden, dem ehemaligen Bundesinnenminister Manferd Kanther hatte der CDU-Landesschatzmeister Casimir-Johannes zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, illegale Spendengelder in Höhe bis zu 18 Mio DM als angeblich von anonymen, seinerzeit emigrierten jüdischen CDU-Gönnern vererbte Vermögen deklariert und in die Schweiz transferiert, um damit Wahlkämpfe zu finanzieren. Die Empörung über dieses Gebaren war allgemein, auch bei Guido Westerwelle:

– Wenn sich erweisen sollte, dass in Hessen auch Regierungsmitglieder von den illegalen Praktiken Kanthers wussten, wäre das ein Grund für die FDP, aus der Regierung auszusteigen?

Dann wären Neuwahlen unausweichlich.

– Was sollte man jetzt tun?

Wir brauchen eine Glaubwürdigkeitsoffensive
(Darmstädter Echo am Sonntag 30.01.00)

Doch die hessische FDP-Vorsitzende Ruth Wagner, damals Ministerin für Wissenschaft und Kunst und stellvertretende Ministerpräsidentin hielt gegen die öffentliche Meinung, gegen alle Empfehlungen und massiven Druck ihrer eigenen Partei unbeirrt an der Koalition mit der CDU fest und rettete damit Roland Kochs Regierung. Im Rückblick sah auch Parteichef Westerwelle die Dinge anders:
– Es hat allerdings in ihrer Partei starke Bestrebungen gegeben, die Koalition während der Spendenaffäre platzen zu lassen. Der damalige Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt sprach sich seinerzeit sehr heftig dafür aus, die Koalition mit Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu beenden.

In der Tat hat es eine streitige innerparteiliche Diskussion gegeben. Die FDP hat damals meiner Meinung nach geradezu vorbildlich eine Streitkultur im besten demokratischen Sinne gezeigt. Auf einem Parteitag ist klar entschieden worden und zur Demokratie zählt auch der Wille der Mehrheit. Das muss man respektieren. Mehr als zwei Jahre später stellen wir fest, dass Hessen mittlerweile auf einem der vorderen Plätze bundesweit steht – ob man nun die wirtschaftliche Entwicklung nimmt, die Verkehrspolitik, die kulturelle Vielfalt oder den Schwerpunkt Wissenschaft, Forschung und Bildung. Das war nicht so, als Schwarz-Gelb die Regierung übernommen hat.

– Kann man also sagen, dass die Bundespartei damals aufs falsche Pferd gesetzt hat?

Ich glaube, manchmal ist es klug, wenn man nicht noch mal in alte Diskussionen einsteigt, die zweifellos streitig waren. Übrigens ging es nie um die Infragestellung der Koalition. Wenn über eine Sache Gras gewachsen ist, soll man nicht das Kamel sein, das diese Gras sofort wieder abfrisst.

– Schönes Bild, Herr Westerwelle. Aber müssen Sie denn jetzt nicht Ihren hessischen Parteifreunden auch in anderer Hinsicht Abbitte leisten? Denn diese sahen ja als Erste die Gefahr, die von Jürgen W. Möllemann ausgeht. War man in Hessen klüger?

Ich will die Diskussion nicht ins Unendliche verlängern, vor allem, weil schon alles gesagt ist.

(Frankfurter Neue Presse 25. Januar 2003)
 
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