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Grand prix du rendez- vous
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Im Gegensatz zur landläufigen Redewendung scheint »das Leben«, wenn es schon mal »spielt«, oft nicht ohne Gestaltungswillen vorzugehen, sondern sich eher um allgemeingültige Denkwürdigkeiten zu bemühen. Besonders gelungen geht dies der Form der Begegnung vonstatten, jenem doch - a priori - auf die äußerste Subjektivität zugespitzten Zusammenprall zweier oder mehrerer ontischer Entitäten, die noch im Minimalkontakt auf Verschränkung und Aufhebung des Gegensätzlichen der Einzelsubjekte abzielt. Der Rang einer echten theologischen Kategorie ist ihr - soweit sie außergeschlechtlich stattfindet - seltsamerweise trotzdem bisher versagt geblieben, zu Unrecht; denn es gibt etliche, die beredt zu uns sprechen, die uns mahnen und trösten wollen. Einerseits vermerkt z.B. der Fernsehkommissar Erik Ode zwar resigniert: »Ich war überfordert, an der Wahl von Hindenburg zum Reichspräsidenten irgend etwas zu ändern.« (»Der Kommissar und ich«, S. 77). Andererseits hat Peter Frankenfeld, als er das greise Staatsoberhaupt tatsächlich leibhaftig vor sich hatte (als Kellnerlehrling im Hotel Adlon), ihm beherzt eine ganze Eisbombe weggefressen, die für ihn in einem Nebenraum abgestellt war. (»Das war mein Leben«, S. 70/71.)
Mit Edelhagen verstand ich mich gut, er äußerte sich nie feindselig gegenüber der DDR und verhielt sich stets loyal. Und er war ein guter Musiker« resümiert wiederum Karl Eduard von Schnitzler seine Erinnerungen an den beliebten Tanzorchesterchef. (»Meine Schlösser oder Wie ich mein Vaterland fand«, S. 139.) Er traf den Bandleader häufig auf Musiktourneen, die dieser - oft genug mit Frankenfeld als Conferencier - absolvierte und die ihn auch in das Vaterland aller Werktätigen führte, wo es ihm ja offensichtlich gelang, das Eis des Kalten Krieges zu brechen.
Hohe Zeit also für unsere Bibel- und Bischofskonferenzen, Konzile und Zentralkomitees, jene Kränze und Strahlenbündel des Numinosen, die das Dasein sich da unablässig selber flicht, endlich zu würdigen, strahlt doch von ihnen bisweilen schon ein Gran jener überirdischen Integrität ab, die uns hoffentlich alle dermaleinst allversöhnend umfangen wird. Von ihrem segensreichen Stiften soll das folgende Dutzend von Matches, Zwiegesprächen und Bagatellen künden:
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Bruno Kreisky vs. Udo Jürgens ↓Theodor W. Adorno vs. Charlie Chaplin ↓Karl Valentin vs. Adolf Hitler ↓
Rudolf Schock vs. Hans Albers ↓Peter Rühmkorff vs. Yassir Arafat ↓
Heidi Kabel vs. Wolfgang Borchert ↓Joseph Beuys vs. Heinz Sielmann ↓
Peter Frankenfeld vs. Max Frisch ↓Henry Kissinger vs. Hildegard Knef ↓Klaus Kinski vs. Ingo Insterburg ↓
Maria Schell vs. Jewgenni Jewtuschenko ↓Robert Havemann vs. Albert Schweitzer ↓ |
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15000 junge Menschen
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»Kein anderer Politiker hat mich jedoch so beindruckt wie Bruno Kreisky. Mit seinem Artikel in einer Wiener Boulevardzeitung, den er anläßlich eines meiner Auftritte veröffentlichte, hat er mir seine Sympathien bewiesen.«Retourniert der ewig junge Troubadour über Österreichs versiertesten Sozialisten; im erwähnten Boulevardblatt hatte dieser notiert:
»Donnerstag abend war ich bei Udo Jürgens in der Stadthalle. Es war gar nicht so leicht, mir die Zeit dafür freizumachen. Aber ich bin froh, daß ich es getan habe. Zum ersten Mal hatte ich Gelegenheit, bei einer Veranstaltung dieser Art dabeizusein, und es war ein wirkliches Erlebnis, zu sehen, wie Udo Jürgens mit seinen Liedern, mit seiner Art, Musik zu machen, mit seiner Fähigkeit, den Rythmus zu mobilisieren, 15000 junge Menschen in seinen Bann schlug. Seine Lieder handeln von den kleinen Dingen des Lebens, von denen, die so wichtig sind zwischen den Menschen. Es sind sentimentale und komische und immer einfache Lieder, die offenbar den Jungen viel bedeuten. Dann plötzlich aber wird er ganz ernst, ganz leise, ganz eindringlich und anklagend zugleich. Ein Bekenntnis mitten im Trubel: ... ich glaube, diese Welt müßte groß genug, weit genug, reich genug für uns alle sein und enthusiastisch brandet der Beifall auf. Die Jungen haben ihn verstanden, und einer, der fast immer nur mit den so fürchtbar Erwachsenen zu tun hat, den beschleicht ein frohes Gefühl darüber, daß den so oft gescholtenen Jungen von heute so vieles gar nicht gleichgültig ist. Ganz im Gegenteil, daß sie, die Jungen, die es doch so gut haben, Armut, Ungleichheit und Krieg nicht unberührt läßt. Beim Hinausgehen sagte einer von den Älteren, Unbeteiligten zu mir: Der Udo Jürgens weiß, wie er sein Geld verdient. Und ich habe ihm geantwortet: Ja, aber verdient sich`s auch«
(Udo Jürgens, Mit Smoking und Blue Jeans, S.170/71).
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Er hat mich nachgemacht
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» Daß ich von ihm rede, darf ich vielleicht mit einem Privileg rechtfertigen , das mir, ganz ohne meinVerdienst, zuteil wurde. Er hat mich nachgemacht: sicher bin ich einer der wenigen Intellektuellen, denen das widerfuhr, und die von dem Augenblick Rechenschaft zu geben vermögen. Wir waren, mit vielen anderen zusammen, in einer Villa in Malibu, am Strande, außerhalb von Los Angeles, eingeladen. Einer der Gäste verabschiedete sich früher, während Chaplin neben mir stand. Ich reichte jenem, anders als Chaplin, ein wenig geistesabwesend die Hand und zuckte fast zugleich heftig zurück. Der Abschiednehmende war einer der Hauptdartseller aus dem kurz nach dem Krieg berühmt gewordenen Film The Best Years of Our Life: er hatte im Krieg die Hand verloren und trug an deren Statt aus Eisen gefertigte, aber praktikable Klauen. Als ich die Rechte schüttelte, und sie auch noch den Druck erwiderte, erschrak ich aufs äußerste, spürte aber sofort, daß ich das dem Verletzten um keinen Preis zeigen dürfte, und verwandelte mein Gesicht im Bruchteil einer Sekunde in eine verbindliche Grimmasse, die weit schrecklicher gewesen sein muß. Kaum hatte der Schauspieler sich entfernt, als Chaplin bereits die Szene nachspielte. «
(Theodor W. Adorno, Ohne Leitbild, S. 92/93)
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Komiker aus Leidenschaft
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»Ein mit Valentin bekannter Fotograf war erkrankt, und Valentin stattete ihm einen Besuch ab«, schrieb sein Biograph Michael Schulte. »Als Valentin das Krankenzimmer betrat, mußte er feststellen, daß sich noch ein Besucher eingefunden hatte: Adolf Hitler. Der Fotograf war Heinrich Hoffmann, des Führers treu ergebener Leibfotograf, der auf seine Weise den Nationalsozialismus glorifiziert hat und dafür später in den Nürnberger Prozessen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Das unerwartete Zusammentreffen zwischen Hitler und Valentin fand um 1937 statt. Hitler wußte, was Valentin von ihm hielt, und Valentin wußte, daß Hitler das wußte. Er wußte aber auch, daß Hitler ein treuer Anhänger seiner Kunst und früher auch ein häufiger Besucher seiner Aufführungen gewesen war. Manche Stücke, so der Einakter An Bord, hatte sich Hitler sogar ein paarmal angesehen.« Hoffmann selbst urteilte: »Der berühmte Komiker verhielt sich gegenüber dem Führer und Reichskanzler mit dem gleichen Humor und der gleichen Natürlichkeit, die alle so sehr an ihm schätzen. Während dieses Besuches wollte uns Valentin in einer kleinen Privatvorführung einen Trick zeigen. Dabei schnitt er sich in den Finger. Die Wunde blutete ein wenig, und Hitler riet ihm, sich doch von meiner Krankenschwester verbinden zu lassen. Sofort legte sich Valentin auf unseren langen Speisezimmertisch, machte eine leidende Miene wie vor einer schweren Operation und ließ sich von der Schwester einen Verband von solchem Umfang anlegen, als habe er sich den halben Finger abgeschnitten. Nachher - wir plauderten im Wintergarten, in dem eine fast lebensgroße Figur von Prof. Thorak stand - kam Valentin mit einem Arztkittel herein, den er sich von Dr. Morell hatte geben lassen. In der Hand hielt er einen Kochlöffel, mit dem er, wie mit einem Stethoskop, den Bronzeakt abhorchte. Hitler lachte mit uns über seine drolligen Einfälle und meinte, nachdem Valentin sich verabschiedet hatte: Er ist nicht nur ein Komiker aus Leidenschaft - er ist dazu geboren!«
(Michael Schulte, Karl Valentin, S. 169/170)
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Mensch, Junge!
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»Einen einzigartigen Treffpunkt - bezeichnend für jene Berlin-Periode bildet die historisch gewordene Möwe in der Ostberliner Luisenstraße. In diesem von russischer Seite geförderten Clublokal konnten Spitzenkünstler - Schriftsteller, Sänger, Schauspieler, Musiker und andere - zu normalen Preisen essen, Bier oder Wodka trinken. Gisela und ich fuhren fünfzig Minuten mit der S-Bahn, um dorthin zu gelangen, nicht nur wegen der Speisen und Getränke, sondern wegen der interessanten Zeitgenossen, die sich hier ein Stelldichein gaben. Man traf unter anderem Hans Albers, Käthe Dorsch, Rudolf Platte, gelegentlich auch Bert Brecht. Einmal war die Gesellschaft so anregend, daß ich spontan aufstand und Freunde, das Leben ist lebenswert sang. Da kam Hans Albers auf mich zu, umarmte mich und rief: Mensch, Junge, wie haben Sie das gesungen! Das war ja, als ginge die Sonne auf! Da kriegt man ja direkt wieder Lust am Leben! Er konnte sich kaum fassen. «
(Rudolf Schock, Ach, ich hab in meinem Herzen da drinnen, S. 233)
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Keine Bomben auf Marias Häuschen
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Auf Einladung der ZEIT bereiste der junge Sowjet-Poet Anfang 1963 die Bundesrepublik: »Nach meinem Auftritt in München fuhr ich im Auto zusammen mit Maria Schell. Ich war sehr aufgeregt. Maria sah das und ergriff meine Hand. Sie hielt sie während der ganzen Fahrt. Und mir wurde leichter zumute. Unsere Hände verstanden einander, obwohl ich Kommunist bin und sie vom Kommunismus so weit entfernt ist wie Goethes Margarete von Fidel Castro... Ich weiß, daß ich niemals auf Heinrich Böll werde schießen können, der mir auf immer vertraut geworden ist. Böll mit seinem guten und müden Gesicht eines Geistlichen und Arbeiters. Ich weiß, daß ich niemals eine Bombe auf das Häuschen werde werfen können, in dem die ganz von innen strahlende Maria Schell ihr Kind in den Schlaf wiegt, oder die Straße, wo eine Frau geht, in deren Augen Rätsel von Jahrhunderten verborgen sind - Barbara Rütting... «
(Spiegel 7/1963, S.74)
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Die Elfenkönigin
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Kurz vor Kriegsende saß die junge Ohnsorgschauspielerin mit ihrem Mann und dem damals noch unbekannten Dichter zusammen, um die Lage zu erörtern »Ich fragte die Männer: Was können wir tun, um alles zu beenden, um diesem Grauen ein schnelles Ende zu bereiten? Borchert antwortete: Wir müssen versuchen, mehr zu werden, Gleichgesinnte zu finden, aber wir dürfen uns nicht auch noch an die Wand stellen lassen. Der Mut hört da auf, wo Selbstmord beginnt. (»Manchmal war es nicht zum Lachen«, S.191)« Bei der nächsten Begegnung überraschte er sie zum Abschied mit einem Gedicht, welches ihr gewidmet war:
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»Die Bitte Zart - wie die Seele
einer kleinen Blume
zitterst Du im Licht.
Ein matter Hauch von Blütenstaub liegt auf Deinen schmalen Wangen
über denen große Augen dunkel träumen
von märchenfeinen Wimpern und
und lieblich gemalten Blumen.
Schön bist Du, Elfenkönigin -
so schlank und edel
und so zart...
ich bitt` Dich, Wind.
Zerbrich` sie nicht!»
(Ebenda, S.192) |
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»In einem Polenstädchen...«
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Während des II.Weltkrieges mußte auch Joseph Beuys zur Wehrmacht:»Er meldete sich zur Luftwaffe und wurde zur Luftnachrichtenschule in Posen abkommandiert. Sein Ausbilder dort war der vier Jahre ältere Unteroffizier Heinz Sielmann, der nach dem Kriege ein populärer Tierfilmer werden sollte. Zwischen den beiden entwickelte sich schnell eine Freundschaft, die für Beuys in einer komplexen Phase seines Lebens besonders wichtig werden sollte (...) So unternahmen sie, wann immer der Dienstbetrieb es zuließ, gemeinsame Wanderungen und analysierten ihre Naturbeobachtungen. Beuys, so erinnert sich Sielmann, habe damals einen halbverhungerten Spitz aufgelesen und illegal in der Kaserne gesundgepflegt. Lumpi, so hatte er den Hund getauft, sei damm bei allen wanderungen dabeigewesen (...) Sielmann übertrug Beuys zwar die Aufgabe eines Putzers , um im Soldatenjargon zu sprechen. Indes: Sielmann nutzte Beuys nicht auf diese Weise aus: Er erteilte ihm zwar mitunter Botengänge, aber vor allem bediente er sich der Beuys`schen Kochkünste. Und so gab es gelegentlich dank dieser spezifischen Fähigkeit des Hobbykochs und Gewürzkenners Beuys auf Sielmanns Stube in der Posener Kaserne phantastische Menüs. Sielmann stufte seinen Freund damals als stinknormal ein. Künstlerische Genialität konnte er nicht einmal in Ansätzen erkennen. Auf jeden Fall ist Beuys nach Sielmanns Urteil ein guter Funker gewesen.»(Heiner Stachelhaus»Joseph Beuys», S. 21/22. Später assistierte der junge Beuys mehrfach bei Dreharbeiten zu Sielmanns Filmen, so im Schwemmenland an der Ems 1947, auf dem Wasserschloß Buldern in Westfalen 1954 und im Storchendorf Bargenhusen 1959. Aber: »An Sielmanns großer Kongo- Expedition 1957 hat Beuys, wie Sielmann trotz gegenteiliger Behauptungen betstätigt, nicht teilgenommen.» (S. 32/33) |
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Fremde Bettgesellen
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Und im Jahre 1956 traf der deutsche Lyriker Peter Rühmkorff im Prager Zentralkrankenhaus auf Yassir Arafat, der dort - gleich ihm - eine schwere Fiebergrippe auskurierte:»Teilte ein Krankenzimmer im Zentralhospital mit ... u.a. auch einem Palästinenser, Mister Palestine genannt. Dieser war mein direkter Bettnachbar zur Linken und litt offensichtlich heftiger als wir an Kopfschmerzen und Schluckbeschwerden, auf jeden Fall aber ausdrucksvoller und mit Abstand am farbigsten. (...) Mit einsetzender Genesung erreichte unsere Debatte dann einen kritischen Grad. Palestines furor arabicus kannte keine Grenze mehr; mit ausladenden Gesten bagann er, die Juden (das war ich) in ein imaginäres Meer zu treiben (das war rechts von meinem Bett), wobei er meine Zudecke unversehens zur Landkarte zerknautschte mit bereits eingenommenen Städten hier, noch zu nehmenden Höhenzügen dort und meiner Nachtjacke als zentrales Verteidigungsnest im besonderen. Da ich allmählich befürchten mußte, das Opfer eines magischen Jagdzaubers zu werden, packte ich den Aufgebrachten schließlich bei den Handgelenken und warf ihn mit einigen Ringergriffen meiner Jugend auf den Boden, nun meinerseits nicht mehr bereit, ihn ohne gewisse Kompromißvorstellungen aus der Klammer zu entlassen. (...) Jetzt, wo ich bei Durchsicht meiner Memomappen noch einmal den Prag-Hefter öffne, stoße ich auf die wirkliche Überraschung, die handgeschriebene Dedikation: Mein herzlicher Gruß begleite meinen westdeutschen Freund - Yassir Arafat (Unterschrift: Mr. Palestine - 17 Taalat Harb.Str. Cairo, Egypt)« (Peter Rühmkorff, Die Jahre, die ihr kennt, S. 86/87) |
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Ein gelungener Nachmittag
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Der Schweizer Dichter bot dem beliebten Quizmaster Ende der sechziger Jahre eine Rolle in seinem Stück »Biografie« an und wollte deswegen - gemeinsam mit Reisseur Rudolf Noelte - zu einer Vorbesprechung bei den Frankenfelds in Hamburg erscheinen. ratlos, was man ihm anbieten solle, las das Ehepaar Frischs Werke auf seine kulinarischen Vorlieben hin durch: »Wir bildeten uns in Rekordzeit. Nach sieben Stunden stand für uns fest, Frisch-Figuren ziehen Campari allen übrigen Getränken vor; was sie danach am liebsten essen war nicht auszumachen. Lonny verzagte nicht. Sie schaute in ihr kluges Koch-Tagebuch, in dem sie festgehalten hat, was dem Intendanten X bei dessen letzter Visite am besten geschmeckt hat, dem Regisseur Y oder der Diva Z. (...) Lonny fand keinen Dichterkollegen vom Range Frischs in ihrem Buch, und schon gar keinen aus der Schweiz. Sie wußte sich jedoch zu helfen. Sie arrangierte ein Menü mit Fingerspitzengefühl: die (Leberknödel-) - Suppe altbayrisch, das Hauptgericht (Frikassee mit frischem Spargel, Champignons, Reis und Salaten) magenschonkostnahe, der (Rote Grütze mit Sahne-) Nachtisch hamburgisch lokalpatriotisch. Der Frisch sieht aus, als würde ihm das schmecken, hoffte Lonny. Bei gutem Wetter decke ich auf der Terrasse. Das Wetter war unhamburgisch gut an diesem Tag. Und um elf, tatsächlich, standen sie in der Tür: Der Dichter und sein Regisseur. Wir gingen auf die Terasse. Lonny servierte Campari. Ah, freute sich der Dichter, woher kennen Sie meine Schwäche?« Frankenfeld gelang es nicht nur, die Rolle zu bekommen und Frisch durch das Vorspielen der Aufzeichnung des »Eingebildeten Doktor« an den richtigen Stellen zum Lachen zu bringen, er kam auch noch einer weiteren Schwäche Frischs auf die Spur: »Danach waren die Herren an den großen Tisch getreten, auf dem Peter eine Autobahn für ferngelenkte kleine Modellautos aufgebaut hatte - die Herren hatten eine halbe Stunde lang Autorennen gespielt.« (Peter Frankenfeld, »Das war mein Leben« , S.293-295) |
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Treue um Treue
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1977. Hiledegard Kenf trägt für ihr Buch »Nichts als Neugier. Interviews zu Fragen der Parapsychologie« Gespräche mit Prominenten zusammen und trifft in New York ein, um mit dem ehemaligen US-Außenminister, mit dem sie bereits ein Ballerlebnis verbindet, das Übersinnliche zu erörtern: »Henry Kissinger. In München war ich seine Tischdame gewesen, hatten wir uns durch meilenlange Salbei-Reden gelacht. Misch-Masch aus Deutsch- Englisch- Jiddisch gesprochen. Da er meine Bücher gelesen, wußte er sogar, woher mein letzteres geläufig. Bonmots pfiffen, lenkten etiquette-beflissene Häupter pikiert- untertänig in unsere Richtung. Eine bayrische Blaskapelle in voller Tracht brachte die Angekicherten vollends aus der Fassung, auch Schuhplattler halfen nicht weiter. Wir ließen uns vollaufen, verließen dennoch ungestützt erhobenen Hauptes als letzte den Saal. (...) Watergate hinter sich, begegnete mir ein Neuer, Schmaler, Ernster. Im neonbeleuchteten Blau wollte keine rechte Stimmung aufkommen. Nur allmählich, Zwiebelschale für Zwiebelschale, tauchte der Selbstsicher- Ironische auf. Mit seiner unnachahmlichen erotischen Stimme, die ausschließlich während öffentlicher Ansprachen Kontaktstörungen zu unterliegen scheint, sagte er: Ich wollte Sie eigentlich nur wiedersehen. Interviews darf ich nicht geben. Schreibe zur Zeit an einem Buch. Vertragsbedingungen. Ich glaubte auf der Stelle einer Gallenkolik zu unterliegen, sollte er doch der Obelisk meines Buches werden, dennoch Okay. Ein Jahr darauf dankt er mir in Berlin, bricht aus parteijünglingsumwedelter Kette aus, umarmt mich, läßt Bodyguards bibbern, flüstert in mein Ohr: Du bist die einzige, die sich je an ihr Wort gehalten hat. Danke. Der Satz war mir wichtiger als das Interview - hätte Großvater Freude gemacht.« (Hildegard Knef, So nicht, S. 197/198) |
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Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre hatte der junge Klaus Kinski in seiner Wohnung in der Berliner Uhlandstraße einen Untermieter: Den aus Bernburg in der DDR nach Westberlin geflohenen Kunststudenten und Gelgenheitsmusiker Ingo Wetzger, nachmals bekannt geworden mit seinem nach seiner Geburtsstadt Insterburg in Ostpreußen benannten Musikensemble. In seiner frühen Jahren untermalte Ingo Wetzger als »Guitar-Ingo« Kinskis Darbietungen bei Auftritten und Schallplatten-Aufnahmen, unter anderem einem Brecht-Programm und einer Romeo-und Julia-Einspielung. Eine kurze Reminiszenz zum gemeinsamen Tourneeleben findet sich in Kinskis Autobiographie »ich bin so wild nach deinem Erdbeermund« von 1977, (S. 50 ff.) Ingos spätere Identität gibt er jedoch nicht preis:
»Ingo spielt Gitarre wie ein Zigeuner. Wir proben die Balladen und Songs von Brecht, mit denen ich im Titania-Palast und in der Wiener Stadthalle auftreten will(
) In Wien wohnen Ingo und ich in der Wohnung der Fotografin. Bei der mit dem verhederten Reißverschluß. Sie hat einen Fotoladen und ein eigenes Labor, was sie tagsüber von der Wohnung fernhält. Nachts muß Ingo, der in einer Nebenkammer schläft, mit anhören, wie ich sie begatte. Die Fotografin kommt jetzt immer nackt direkt aus dem Badezimmer ins Bett, damit ihr das mit dem Reißverschluß ja nicht noch mal passiert. Im Hotel hatte das Kleid ihr Gebrülle erstickt und gedämpft, jetzt hallen die Ausrufe der geschiedenen Frau, die, wie sie sagt, seit ihrer Scheidung keinen Mann mehr gehabt hat, an den hellhörigen Wänden wider, und Ingo macht keine Nacht ein Auge zu. Das stört ihn aber nicht. Er spielt forte, wenn sie ausruft: Liebst Du mich? Liebst Du mich nicht wenigstens ein bisschen? und ich Nein! antworte- piano, wenn sie nach jedem Orgasmus jammert und steigert wieder seinen Anschlag, wenn sie einen neuen Anlauf nimmt. Die Fotografin muß früh aufstehen und frühstückt ohne uns. Ingo und ich schlafen bis Mittag, weil wir uns die Proben einteilen können, wie wir wollen. Wenn wir munter sind, baden wir, wobei wir aus dem Badezimmer ein einziges Schaumbad machen, besprengen uns mit sämtlichen Parfüms, von denen die Fotografin eine ganze Kollektion zu bieten hat, und machen uns in der Küche zu essen. Taschengeld gibt uns die Fotografin auch. Dann gehen wir, parfümiert wie zwei Luxusnutten, und angezogen wie zwei Hippies, die es außer uns noch gar nicht gibt, zur Probe.«
In Ingo Insterburgs im November 2001 im Selbstverlag erschienenen Autobiographie (»Die ersten 23456 Tage meines Lebens«) gibt es wesentlich umfangreichere Erinnerungen an die Zeit mit Kinski. Darunter findet sich auch eine direkte Auseinandersetzung mit den Einlassungen im »Erdbeermund«:
»Ein Geschichte mit Klaus Kinski fällt mir noch ein, nämlich eine Liebesnacht. Eigentlich war es ja ein Liebes-Nachmittag, mit Klaus und einer seiner Freundinnen in Wien. Die Geschichte ist aber nicht von mir, sondern aus einem Buch von ihm auch Lebenserinnerungen da werde ich erwähnt, weil ich dabei war. Aber ich wußte damals gar nicht, was die da machen, weil er zu mir sagte, als ich in der Wohnung seiner Freundin saß Ingo ich muß ein wenig ruhen, du kannst ja in der Zeit Gitarre üben. was ich tat. Was ich nicht wußte damals, daß er nämlich gar nicht ruhte, sondern es nur sagte, kann man lesen in seinem Buch: Wir liebten uns stürmisch. Im Nebenzimmer spielte Guitar-Ingo (das war ich) Gitarre. Sein Spielen wurde immer heftiger, und mit seinem Rhythmus auch unsere Liebe. Ich weiß gar nicht, was ich da gespielt hatte. Aber doch sehr interessant, daß mein Gitarrespiel die Erotik anfetzt. Das war alles. Das Buch war zwar ganz schön dick, aber mehr stand da nicht drin über mich, und wörtlich habe ich auch nicht zitiert. Jürgen Barz hatte das ganze Buch mal gelesen auf einer Tournee, und mir die Stelle im Auto vorgelesen. Aber das ist schon 25 Jahre her.« (S. 145 ff.) |
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»Ich war vor drei Jahren (1961; C.M.) in Lambarene bei Albert Schweitzer. Ich hatte viele Gespräche mit ihm , die mir unvergesslich waren. Einmal, als ich ihm beim Betreten eines Hauses, wie das die Sitte ist, den Vortritt lassen wollte, sagte er unwirsch, aber schalkhaft: Ach, laß den Unsinn, immer diese dummen Sitten. Und dann, als ich ihm den Willen getan hatte: Ach, es ist überhaupt furchtbar, sich immerzu um seinen Nächsten zu kümmern, es ist doch etwas Schreckliches. Ich erwiderte ganz betroffen: Aber Herr Schweitzer, Sie haben sich doch ihr ganzes Leben immer so um Ihre Nächsten gekümmert. Da wundert es mich aber, wenn Sie sagen, man solle sich nicht um seinen Nächsten kümmern. Darauf meinte er: Ja, das ist richtig. Leider muß man das noch. In der Zeit, in der wir leben, müssen wir uns noch sehr um unsere Nächsten kümmern, aber wir wollen es doch wenigstens nicht auch noch mit diesen lächerlichen kleinen Höflichkeiten tun. Da kann es doch schon aufhören. Das Ziel ist doch, endlich zu einem Leben zu kommen, wo alle Menschen glücklich sein können, wo alle frei leben können und zugleich sicher sind, wo man sich nicht um seinen Nächsten zu kümmern braucht. Das ist jedenfalls die Meinung der großen chinesischen Philosophen gewesen. Ich bin auch der Meinung. Darauf sagte ich zu ihm: Was Sie sagen, finde ich sehr richtig, und glauben Sie mir, wir Kommunisten möchten gern eine solche Gesellschaft aufbauen. Wir glauben, daß es möglich ist, eine Gesellschaft zu errichten, in der man sich nicht um seinen Nächsten zu kümmern braucht, weil sein Leben gesichert ist und weil er frei leben kann. Das wird dann eine menschliche Gesellschaft sein, die den Namen menschlich erst verdient.
Sehr ernst und mit seiner ganzen herzlichen Freundlichkeit sagte er da: Wissen Sie, Herr Havemann, darum fühle ich mich so sehr mit den Menschen im Osten verbunden, weil ich nämlich weiß, daß sie hieran auch wirklich glauben. «
(Dialektik ohne Dogma; S. 145 ff.) |
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Tja. Ohne Zweifel alles hochkarätige Treffs und Gottesbeweise, von keinerlei konfrontationssüchtiger Talkshow-Hysterie oder beruflichen Verpflichtungen arrangiert, wie etwa die Gespräche, die »Konkret«-Herausgeber Hermann L. Gremliza mit Mick Jagger (Spiegel 39/1970, S. 22) oder - gemeinsam mit dem späteren »Hitler-Tagebücher«-»stern«-Chefredakteur Peter Koch - mit dem damals wild entschlossenen CDU-Reformer Manfred Wörner 1969 führte (Spiegel 42/1969, S. 38ff.), der beispielsweise auf die Frage: »Wollen Sie die SPD links überholen?« knapp replizierte: »Auf manchen Gebieten halte ich das für völlig problemlos.« Klaus Rainer Röhl, Vorgänger von Gremliza als »konkret«-Herausgeber, konnte sogar stolz sein, Gerd Heidemann selbst im Blatt zu haben, der seine Traven-Story hier ausführlich ausbreiten konnte und seine Kongostory schenkte, weil Nannen es abgelehnt hatte, diese Bilder von verwesten Leichen ausgerechnet vor Weihnachten, zusammen mit Backrezepten und gemütvollen Betrachtungen von Frau Sybille über altdeutsche Puppenstuben, zu veröffentlichen. (»Fünf Finger sind keine Faust«, S. 220) Über eine zeitweilige Frau, Ulrike Meinhof, berichtet er leider wesentlich lückenhafter. Zwar räumt er ein: Ulrike belebt jede Party... Ulrike tanzte wie eine Wilde, umschwärmt von männlichen Partygästen, langsam zu »Yesterday« ebenso wie zu dem folgenden »Dizzy Miss Lissy«, denn sie war der Revolutionskasperle (wie sie das später nannte), und am gelungenstem war eine Party, wenn man noch einen ausgeprägten konservativen Intellektuellen wie Coulmas oder Reich-Ranitzki oder prominente Liberale wie Bucerius oder Augstein dazu laden konnte, dann kamen alle auf ihre Kosten. (Ebenda, S. 235/236), aber ob es je zu einem Tanz mit einem der erwähnten Herren gekommen ist, bleibt unklar. Diffus ebenfalls die Frage, ob der kurzfristige Bundesfinanzminister und Bertelsmann-Chef Manfred Lahnstein, der Jazzer Klaus Doldinger und der DKP-Barde Dieter Süverkrüp gleichzeitig oder nacheinander Mitglieder der Düsseldorfer Dixieland-Formation »Feetwarmers« waren. Und, traurig genug: Eine Begegnung zwischen Gerhard Zwerenz und den Beatles wurde regelrecht verhindert: »Wir saßen im Hotel Bayrischer Hof am Swimming Pool. Die Sonne schien. Hier vom Dach des Hauses ging der Blick weit über die Stadt. Man war in die halbe Höhe der Türme gehoben. Föhn rückte die Alpen nahe. Ein Hotelmanager trat zu mir und verlangte mit wenig Aufwand an Höflichkeit, wir sollen den Raum verlassen. Ich vermutete ein Missverständnis und suchte den Fall diskret zu klären. Der Zerberus blieb hart. ›Die Beatles sind angekommen und wollen schwimmen. Kein anderer darf sich in diesem Raum aufhalten!‹ In den Augen des Hotelangestellten glomm die vollkommene Überzeugung von der Notwendigkeit seines Wunsches, der seiner gar nicht war, unser Abtreten aber verlangte wie Judith das Haupt des Holofernes. ›Hier sitzt Arthur Koester, ein alter weltberühmter Schriftsteller, wollen Sie den wirklich so einfach rausschmeißen?‹ fragte ich, weniger von der Wirksamkeit meiner Argumente überzeugt als begierig, die Reaktion des Domestiken gänzlich auszukosten, der dann auch folgerichtig erwiderte: ›Was kümmert mich ihr weltberühmter Schriftsteller, wenn die Beatles schwimmen wollen?‹ Wir verschwanden.« (Der Widerspruch, S. 274/275). Schade - kann man da nur sagen, den verbiesterten Frankfurter Revolutionär hätte ein Plausch mit den munteren Pilzköpfen sicherlich aufgelockert. Leider blieb es auch Christa Wolff versagt, Gottfried Benn wirklich zu begegnen - obwohl sie es sich in ihrem Roman »Kindheitsmuster« so lebhaft ausmalt. Vielleicht besser so: für den Dichterarzt und Offizier, der 1944 in die General-von-Stranz-Kaserne ihrer Geburtsstadt Landsberg an der Warthe versetzt wurde, wäre die Fünfzehnjährige eine zu heikle Versuchung gewesen. Sehr unbefriedigend schließlich die zeitlebens ausgebliebene Audienz von Dieter Thomas Heck bei Arno Schmidt, für deren wünschenswertes Zustandekommen nicht nur der Umstand gesprochen hätte, daß Schmidt sein Spätwerk »Abend mit Goldrand« mit Bata Illic »Michaela« beginnen läßt. Auch beider tiefe Affinität zu Edgar Allan Poe, die Schmidt zu seinem Hauptwerk »Zettels Traum«, Heck laut eigenem Bekunden (»Der Ton macht die Musik«, S. 279) zu der Krimi-Schlager-Platte »Es ist Mitternacht, John« inspirierte, hätte sicher Brücken zwischen den beiden schlagen können - nicht zu reden von dem Hallo, das es gegeben hätte, wenn die beiden zufällig auf die Hamburger Gesangslehrerin Prof. Henny Wolff zu sprechen gekommen wären. Eben jene wuchtige, vornehme Dame mit einer akzentuierten Aussprache und einer Brille, die sie fast nie aufsetzte, sondern an einem Silberkettchen über ihren ausladenden Busen baumeln ließ, die Dieter Thomas Heck in mütterlicher Strenge sagte: ›Carl Dieter, warte ab- ich mache einen zweiten Fischer- Dieskau aus dir!‹ und mit ihm für seinen ersten Liederabend Franz Schuberts Winterreise einstudierte. (Ebenda, S. 73-76) Sie schrieb an Arno Schmidt einen Tag vor Weihnachten 1957:
Arno Schmidt Atheist? Allerdings!
Es ist mir ein dringendes Bedürfnis, Ihnen eine »Weihnachtsbotschaft« zukommen zu lassen, wie Sie sie verdienen! Ich bin empört, dass eine Zeitung vom Range der Welt dies Geschmier abdruckt, aus dem nur Galle und Bosheit spricht. Traurig, daß ausgerechnet Ihr »Bauch« diesen Krieg überlebt hat (um Ihren Kopf wäre es, wie Ihr Konterfei zeigt, auch nicht schade gewesen!), während unzählige der Besten dran glauben mußten. Pfui Teufel, kann man dazu nur sagen! Jedenfalls war es das erste und letzte, was ich von Ihnen gelesen habe! (Der Rabe, Nr. XII, S. 67) Als Heck dann jedoch ohne ihr Wissen am 28. Januar 1959 in der Nachwuchssendung »Toi, Toi, Toi« mit einem eigenen Schlager auftrat, warf Henny Wolff auch ihn für immer hinaus. Sie spie förmlich noch ein »Tingeltangel« heraus und wies mir die Tür. (»Der Ton macht die Musik«, S. 76)
Die beiden hätten sich wahrhaftig viel zu erzählen gehabt, aber leider... Es kam nie dazu. Bleibt nur noch anzumerken, daß diese »Toi, Toi, Toi«- Sendung natürlich von niemand anderem als Peter Frankenfeld moderiert wurde. |