Mission "Versuchte Ehrenrettung" - Anmerkungen zu einem Nebenberuf

  Über mein Kreuzwort-Tüfteln findet sich unter „Allein mit den Wörtern“ einiges hier, ansonsten - sollte das Talent doch am besten bloß ’ne Art Wünschelrute sein: Bei mir z.B. eine für etwas abgelegene Zusammenhänge und da eher für Fragen als für Antworten. Dazu gern speziell dynamisiert durch Verärgerung: Warum kriegt Der oder Die - wenn überhaupt! - nur einen Bruchteil der verdienten Beachtung? Warum ist Das so wenig bekannt, wenn nicht sogar - oder doch schon fast - völlig verschüttgegangen?
Hader, den man wiederum auch nur als Variante oder Unterabteilung einer schon ewig gewälzten Grundproblematik ansehen kann: Der Fragestellung nämlich, ob Scheitern, Steckenbleiben, Vermurkst-Fragmentarisches oder von etwelchen haarsträubenden Umständen seltsam Hingestümpertes nicht im Zweifel interessanter, lebensechter und vielfach „wahrer“ sei als das glatt Gelungene und Erfolgreiche? Abschließendes will dazu hier gar nicht dekretieren, aber daß man sich über die gängige Ignoranzphänomene bisweilen fuchst,.wird ja wohl erlaubt sein:
Was den näheren Gesichtkreis anbelangt, z.B. spezielle bei den Itzehoern: Warum haben sie von ihren seltsamen Exil-Generälen Haug (c/o Garibaldi) und Danican (c/o Napoléon) kaum je was gehört? Bzw. wissen vielleicht knapp noch, daß die Anfänge eines der wichtigsten zeitgenössischen Kunsttheoretiker - nämlich Bazon Brock - bei ihnen an der Alten Landstraße stattfanden. Aber daß die beste Freundin von Uschi Glas, bei den Dreharbeiten zu „Winnetou und das Halbblut Appanatschi“ erfolgreich ins Filmmilieu verheiratet, auch aus Itzehoe kam, Sabine Sinjens Vater hier als Architekt einen ganzes Kasernenbereich errichtete? In der Steinburger Metropole alles andere als gemeinfreier geistiger Besitzstand. Bzw., gleich nebenan: Warum ging’s an Kellinghusenern & Wristern jahrzehntelang vorbei, daß ein Ausläufer der reichsdeutschen Atombombenforschung in Form eines Betatrons bei Kriegsende samt Expertenteam bei ihnen in einer ehemaligen Molkerei strandete? Bzw. daß der Schriftsteller Jakov Lind, als untergetauchter illegaler jüdischer Jugendlicher unter haarsträubenden Umständen im Kurierdienst in diese Vorgänge hineingeraten, all das in seiner Autobiographie „Selbstportrait“ schildert? Resp. dito die Wilsteraner: In Heide hat man aus der jahrhundertlangen Verwurzelung von Johannes Brahms’ Verfahren daselbst ja noch was gemacht, in dem kleinen Städtchen dagegen erinnert aber auch nicht die kleinste Straße an den deutsch-norwegischen Philosophen, Schriftsteller und Freiheitskriegs-Veteranen Henrich Steffens, der den ganzen Anfang seiner Lebensbeschreibung den Lebensumständen seiner Ahnen aus der südholsteinischen Marsch widmet. Und die Hohenlockstedter? Daß in ihrem Ort, ehemals Lockstedter Lager und zu Kaisers Zeiten 48 Jahre lang preußischer Truppenübungsplatz natürlich auch etliche später prominente Rekruten gescheucht worden sein müssen, liegt so auf der Hand, daß man sich nur wundern kann, warum da bislang keiner grub – der hier angeführte Ernst Barlach ist da nur ein Beispiel.
Dies ganze ganzen Gemecker soll aber nicht, wie zu vermuten wäre, meinen Durchblick beweihräuchern, sondern letztlich bloß den Website-Visitor anstacheln, auch selber vielleicht mal ein bißchen in seiner Umgebung zu buddeln und so eine etwas pfiffigere Form der Sach- und Heimatkunde zu betreiben. Nicht zuletzt, daß sich das Aktionsfeld beliebig ausdehnen lässt, dokumentieren, ja meine hier mit rubrizierten Artikel aus titanic und der Frankfurter Allgemeinen.
Auch daß z.B. die fiktive Biographie des Dichters, Denkers, Bildners Arnold Hau, als Gemeinschaftswerk von Bernstein/ Gernhardt/Waechter eins der Gründungsdokumente der Neuen Frankfurter Schule, einen gut 100 Jahre älteren Vorläufer hat, den angeblichen Aphoristiker, Lyriker, Dramatiker Kosma Prutkov , geschaffen von Graf Alexej Konstantinowitsch Tolstoj und den Brüdern Tschemtschuznikov hat - ist so gut wie unbekannt, (abgesehen von allen gebildeten Russen natürlich, spätestens seit Dostojewskij ihn 1859 in sein Roman „Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner“ einbaute.) Vergleichbar verweht der Ruhm des ehemaligen Gestapo-Spitzels, Erfinders, ZDF-Quizmasters und Sexfilmdarstellers Peter Garden, die vielfältigen Lebensfährnisse Horst Mahlers, der spiritistischen Mini-Kirche des Ex-Pfarrers Greber, des DDR-Daniel-Düsentriebs Manfred von Ardenne oder der weser-bergländischen Lebedame Else Flach aus Hehlen bei Bodenwerder.
Und ohne auch nur das temporäre Forum eines Zeitungs- oder Zeitschriftenartikels zu haben, wird derzeit ein völlig uferloser Bereich stillschweigend entsorgt: Die Epoche von ca. 30 Jahren Heimtonband, mit dem neben den üblichen Musik- und Familienfeier-Aufzeichnungen die unglaublichsten und merkwürdigsten Selbstzeugnisse dokumentiert wurden. Ein Alltagsmuseum von riesenhaften Dimensionen landet derzeit gerade, wenn nicht auf Flohmärkten und bei ebay vertickt, auf Mülldeponien und im Abraumcontainer, weil die erbenden Nachfahren meist keine Abspielgeräte mehr haben.
Was also tun als selbsternannter Anwalt des kaum bis gänzlich Ungewürdigten? Nicht nur retten, was noch zu retten ist, sondern exemplarisch Möglichkeiten des Sondierens im elektronischen Schaukasten vorzuführen, erschien mir als die beste Möglichkeit – als einem virtuellen Forum, das möglichst viele dazu animiert, ebenfalls mal ein bisschen besser aufzupassen. Das müssen ja nicht unbedingt meine Namensvettern sein. Speziell angesprochen fühlen dürfen sie sich aber schon.