Heidrun Tampe/ Gabriele Renatus

Opfer mussten diesmal gebracht werden. Sie hießen Heidrun Tampe und Gabriele Renatus und auf einer für 14.30 Uhr von Guido Westerwelle am 30. Oktober 2002 angesetzten Pressekonferenz wurde ihre sofortige Entfernung aus dem Amt Bekannt. gegeben. Seit Tagen war da schon der Verdacht bestätigt, dass bereits am 7. September, zehn Tage vor Veröffentlichung, der Neusser FDP-Politiker Michael Riedel mit einem Fax an die Berliner FDP-Zentrale auf Inhalt, Aufmachung und die geplante Millionenauflage des gegen Sharon und Michel Friedmann gerichteten Möllemann-Flyers hingewiesen hatte: "Mit Entsetzen habe ich gestern auf einer Veranstaltung deutsch-arabischer Vereine die Ankündigung von Jürgen Möllemann gehört, jetzt kurz vor der entscheidenden Wahl am 22. September einen Flyer/Folder an alle Haushalte in NRW (8,4 Mio. Ex.) herauszubringen, wo drei Fotos (Möllemann, Scharon, Friedman) auf einer Seite erscheinen sollen mit der Unterschrift: Sie haben die Wahl. Ich bitte Sie inständig, versuchen Sie alles, diesen Sonderwahlkampf in NRW zu verhindern.

Der 7. September war ein Samstag gewesen, doch trotz seines eindringlichen Tenors („Hoffe, dass diese Aktion nicht Realität werden wird.") bekam Riedel auch in den nächsten Tagen keine Antwort. Dass Guido Westerwelle zu den zehn FDP-Politikern gehörte, denen Möllemann den Text vorab am Telefon vorlas, lässt Parteifreund Kubicki in der NDR-Dokumentation „Der Tag an dem Jürgen Möllemann starb“ zwar massiv durchschimmern, direkt bestätigt er es aber nicht. Westerwelles Büroleiterin Heidrun Tampe zeichnete das Riedel-Fax jedenfalls am 9. September ab, und leitete es dann an Gabriele Renatus, Büroleiterein von Generalsekretärin Pieper, weiter - mit dem Vermerk "suk bitte ü“, da Frau Renatus gleichzeitig das FDP-Referat „Strategie und Kampagnen“ leitete. Das Bekanntwerden der Vorab-Information bescherte Westerwelle beträchtliche Glaubwürdigkeitsprobleme, „Der Brief ist mir selbst nicht vorgelegt worden. Die Abzeichnungen der Mitarbeiter auf dem Schreiben dokumentieren dies“, erklärte Westerwelle auf der Pressekonferenz und kam dann zu den Konsequenzen:.„Die Tatsache, dass mir der Brief nicht vorgelegt wurde, ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der Posteingänge eindeutig ein Fehler.“ Die „beiden verantwortlichen Mitarbeiter“ habe er umgehend von ihrer Funktion entbunden. Beide Damen legten „dienstliche Erklärungen vor“ – die „nicht die Rechtsverbindlichkeit einer eidesstattlichen Versicherung besitzen“, wie Spiegel viel sagend anmerkte. Darin räumte Frau Tampe ein, das Fax am 9. September „direkt, ohne dass es dem Bundesvorsitzenden Dr. Guido Westerwelle zur Kenntnis gebracht worden war, in den Geschäftsgang der Bundesgeschäftsstelle" eingearbeitet zu haben:„Ich habe Herrn Westerwelle bis zum 30. Oktober 2002 weder mündlich noch in anderer Weise über dieses Schriftstück informiert.“ Auch Frau Renatus hatte "weder mündlich noch in anderer Weise" Vorgesetzte über den Brief In Kenntnis gesetzt, sondern ihn am 10. September "mit der Bitte um Bearbeitung an den Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes NRW, Möllemanns Millionen-Einzahler Hans-Joachim Kuhl, weitergeleitet. Die ganze Pressekonferenz hatte Westerwelle überhaupt nur anberaumt, weil an diesem Tag ein zweites Fax des frustrierten Riedel beim Schatzmeister Manfred Rexrodt auf den Schreibtisch Gekommen war, der nach der Lektüre sofort Westerwelle anrief. SPIEGEL : Der aufgescheuchte Parteichef trommelte um zwölf Uhr am Rande der Bundestagssitzung alle verfügbaren Präsidiumsmitglieder zu einem eiligen Krisentreffen zusammen. Der Stuttgarter Landeschef Walter Döring und Generalsekretärin Pieper wurden per Telefon zugeschaltet. Westerwelle zeigte den Brief herum, den er wegen eines Fehlers seiner Mitarbeiter leider nicht bekommen habe. Ob es reiche, wenn nur die beiden von ihren Aufgaben entbunden würden, wollte er wissen. Oder müsse er womöglich selbst Konsequenzen ziehen? Reihum, so berichten später Teilnehmer der Sitzung, habe man dem verunsicherten Parteichef den Rücken gestärkt. Erst einmal. Rexrodt bestand später am Tag bei Sandra Maischberger“ allerdings darauf, man könne das "nicht nur den Mitarbeitern anhängen, sondern verantwortlich ist auch der Chef. Das ist nun mal so". Was Westerwelle aber nicht anfocht. Nach ein paar klammen Tagen - Klar ist derzeit, dass Westerwelle seinen Hut nehmen muß, wenn herauskommt, dass er mehr wusste unkte die „Frankfurter Rundschau“ am 6. November - hatte Möllemann derart weitergefuhrwerkt, das es womöglich nicht mal seine beiden Märtyrerinnen gebraucht hätte. Beide waren Ost- Übernahmen aus der ehemaligen LDPD, Frau Tampe hatte sich ein paar Jahre zuvor schon einmal nützlich machen können und hatte als Betriebsratsvorsitzende die fristlose Kündigung des damals dienstältesten Mitarbeiters im Thomas Dehler-Haus, Reiner Beeg ohne die vorgeschriebene Anhörung - mit abgesegnet Spiegel 12/97: Beeg, 52, hatte sich massiv gegen eine neue Betriebsvereinbarung gewehrt, mit der die von der FDP durchgepaukte gesetzliche Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Beschäftigten der Bundesgeschäftsstelle übernommen wurde Beeg hatte die Betriebsratsvorsitzende außerdem im Betriebsorgan liberale Depesche als Ost-Blockflöte madig gemacht. Verständlich jedenfalls, dass man ihre auch weiterhin nicht entraten mochte. Heidrun Tampe hat als Büroleiterein des Generalsekretärs heute den Posten von Frau Renatus, Frau Renatus ist seit dem 4. Mai 2010 FDP-Bundesgeschäftsführerin.
 
zurück zur Übersicht