Intrige in Grün


Eine sehr schöne Intrigen-Variante ist auch, eine/n ParteifeindIn mit einem vergifteten Postenangebot auszutricksen, dass ihn/sie in eine fertig aufgebaute Falle laufen lässt: Ein Musterexemplar dieser Gattung schildert die zeitweilige Grünen-Parteisprecherin Anja Radtke, die während ihrer gemeinsamen Amtstätigkeit von 1998 – 2000 mit Doppelspitzen-Partnerin Gunda Röstel ständig den Schikanen von Joschka Fischer und seinem Machtzirkel ausgesetzt war. Schon ihre Wahl zur „Bundessprecherin“ hatte diese Clique unter sich ausgemacht, dies kurz angekündigt und ihr dann telefonisch mitgeteilt, während sie mit ihrer Tochter Hamburger Schuhgeschäfte abklapperte. Um sie dann wieder loszuwerden, verfiel man auf eine Finte, die sie in ihrem Buch „Das Ideal und die Macht“ schildert:
„Es war anlässlich der Landtagswahl in Schleswig-Holstein – für die Grünen eine schwierige Wahl, die wir aber mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller verfügbaren Kräfte meistern konnten. Für Gunda Röstel und mich hatte diese Wahl noch eine besondere Bedeutung: Sie war die erste Landtagswahl nach dem Fischer-Mobbing gegen uns beide. Wir standen also erheblich unter Erfolgsdruck, da uns gezielt alle möglichen Misserfolge in die Schuhe geschoben wurden. Nach der Wahl stand eine bei den Grünen sehr beliebte „personelle Erneuerung“ an. Die beiden bisherigen grünen Kabinettsmitglieder Rainder Steenblock und Angelika Birk sollten ersetzt werden.
Das war an sich schon eine ziemlich kniffelige Angelegenheit, die bei den Betroffenen sicher so mancher Wunde hinterlassen hat – denn wie das oft so ist: Alle Welt tuschelt bereits hinter vorgehaltener Hand darüber, nur die Personen, um die es geht, erfahren davon meist zuletzt. Ich selbst war als Parteivorsitzende insoweit einbezogen, als ich auch wegen meiner eigenen Präsenz im Wahlkampf einen ganz guten Draht zum dortigen Landesverband entwickelt und meine Vermittlungsbereitschaft, falls nötig, unauffällig signalisiert hatte. Die Situation änderte sich schlagartig, als ein mir sehr vertrauter Parteikollege die Botschaft aus dem Umfeld Joschka Fischers überbrachte, dass ich im Gespräch sei für den Posten einer Ministerin in Schleswig-Holstein.
Das kam mir doch alles irgendwie bekannt vor: Da machen irgendwelche Leute Pläne über meine Zukunft und geben es aller Welt bekannt, ohne mit mir im Vorfeld darüber gesprochen zu haben. Nun musste ich ganz schnell irgendetwas tun – nicht auszudenken, was passieren würde, wenn erst die Presse davon erführe. Glücklicherweise kenne ich die Partei gut genug, um zu wissen, dass der Landesverband die Auswahl ihrer Ministerinnen gern selbst trifft und sich nicht vom Außenminister diktieren lässt. Aber auch Joschka Fischer hätte das wissen müssen – deshalb wurde ich sofort misstrauisch. Was steckte dahinter? Der naive Glaube, wenn er eine Person vorschlüge, ginge das schon irgendwie gut? Und tat er das, weil er mich wirklich für geeignet hielt oder weil er mich so auf elegante Art und Weise aus dem Bundesvorstand wegloben könnte? Oder die dritte Variante: Provozierte er durch dieses Ansinnen – wohl wissend, dass in Kürze die Presse davon Wind bekommen würde – , dass ich freudig erregt ob dieses Angebots der Verlockung nicht widerstehen könnte, laut: „Ja, ich will!“ zu sagen?
Denn das wäre mein sicherer Untergang gewesen: Der Landesverband hätte sich zu Recht brüskiert gefühlt – auch wenn es einige gab, die die Idee nicht abwegig fanden – und ich wäre total blamiert gewesen. Also ergriff ich die Flucht nach vorn und tat das einzig Richtige: Auf der obligatorischen Pressekonferenz am Montag nach der Wahl wurde mir prompt von einem Journalisten die Frage gestellt, ob ich Ministerin in Schleswig-Holstein werden wolle – und meine Antwort war ein klares „Nein!“ Die Berichterstattung über diese Pressekonferenz gab mir nachträglich Recht: Meine Entscheidung wurde respektvoll kommentiert. Wie mir später von einem persönlichen Referenten übermittelt wurde, hatte ein enger Mitarbeiter Joschka Fischers es aufrichtig bedauert, dass ich dieses Angebot abgelehnt hatte.“

(A. Radtke; Das Ideal und die Macht; S. 167/68)
 
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