Therese Giehse liest |
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Es waren viele Frauen, die sich einschlossen und hinter der Tür weinten, als Bertolt Brecht noch in Berlin war. Nachts die hohen Fensterbögen schwarzer Straßenfluchten zielstrebig durcheilend, streifen Scheinwerfer der S-Bahn auch die Eisenbrücken großer Städte. Es sind bedeutende Eindrücke und was du auch in der Tasche hast, wirf es dem Fahrtwind getrost hinterdrein: Auf dass nichts die Empfindung dir schwäche! In den dämmernden Stunden der Entbehrung legt selbst der Einsichtigste die Zeitung irgendwann beiseite. Noch springt er, der Pfennig am Boden der Kupferkanne, wenn du an ihr rüttelst. Aber Notnägel werden knapp. Unerreichbar erscheinen dir ja fast schon die Läuse auf deinem Kamm! Die dir gerade das Hemd bügelte und dich jetzt nach dem Kragen fragt, sie rechnet dir das alles nicht zu, nur spärlich macht sie sich Notizen. Aber wie ihr Abbitte tun, ohne sich selbst auf die Schulter zu klopfen? Und wie da Maßnahmen ergreifen, wo die Notwendigkeit selbst händeringend in der Tür steht? Ja, man zählt dir dein Quantum Stockschläge bislang nur vor die Füße. Es ist beträchtlich. Aber auch hier macht am Ende der Ton die Musik: Dem sterbenden Schuster fährt niemand mehr über den Mund, vergessenes Milchgeld bleibt abgezählt liegen und der im Gehen schon den Hut aufsetzte, wird mit keiner Ansichtskarte mehr auf dich zurückkommen. Es waren noch mehr Frauen, die nichts ahnten und tags darauf einkaufen gingen, als Bertolt Brecht Berlin bis auf weiteres verließ. (Dass er es weiterhin billigte, wenn man ihn wusch und wo er um Brot frug, auch Kompott nicht scheute, sondern verschlang: Wir, Unbescholtene, hören es mitunter rühmen und sinken befristet in Schlaf.) |